Am Donnerstag, dem 1. März 2012, hat Herr Professor Dr. Ingo Müller in der Aula der Fachhochschule einen Vortrag zu dem Thema "Der Verlust der Rechtsstaatlichkeit - das Strafrecht im Dritten Reich" gehalten. Darin führte er den zahlreich erschienenen Zuhörinnen und Zuhörern eindrucksvoll vor Augen, dass die Grundfesten unseres heutigen Rechts keineswegs selbstverständlich sind. Kein Rechtsgebiet lässt so deutlich die Spuren des nationalsozialistischen Unrechts erkennen wie das Strafrecht.

"Die Polemik der nationalsozialistischen Rechtswissenschaft richtete sich … gegen seine rechtsstaatliche Fundierung, vor allem gegen den Grundsatz 'Keine Strafe ohne Gesetz' (Nulla poena sine lege) ... : das Rückwirkungsverbot (nur eine Tat, die schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung strafbar war, darf bestraft werden), das Analogieverbot (nur was der Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich für strafbar erklärt, ist strafbar), das Gebot der Gesetzesbestimmtheit (das Gesetz muss präzise formuliert sein und erkennen lassen, was strafbar ist und was nicht) sowie das Strafmonopol einer unabhängigen Justiz, denn  mit der Errichtung eines Sanktionensystems außerhalb des Strafrechts lässt sich jedes Justizgrundrecht unterlaufen." (Müller, Furchtbare Juristen, 1987, S. 81-82). "Sein höchstes Ziel, den 'Schutz der Volksgemeinschaft', gewährleistete das Strafrecht nach einer damals gängigen, von allen Jurastudenten auswendig zu lernenden Formel 'durch die Ausmerzung entarteter oder sonst für die Volksgemeinschaft verlorener und durch die Entsühnung gestrauchelter, aber für die Gemeinschaftsaufgaben noch einsetzbarer … Gemeinschaftsglieder'. Diese Formel zeigte die beiden Hauptbetätigungsfelder der nationalsozialistischen Strafrechtswissenschaft auf: die Entwicklung eines Disziplinarrechts für den 'pflichtvergessenen' deutschen Volksgenossen und eines Instrumentariums zur Vernichtung des Feindes, des Andersartigen, zu dem man auch den 'entarteten Kriminellen' zählte" (ebd., S. 84 mit weiteren Nachweisen).

Professor Dr. Ingo Müller ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Erforschung nationalsozialistischen Justizunrechts. Er ist der Autor des 1987 veröffentlichten, weithin bekannten Werkes "Furchtbare Juristen - die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz".

Die Vortragsveranstaltung war zugleich Gegenstand des fachwissenschaftlichen Teils der Amtsanwaltsausbildung, die an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird.

Eindrücke von der Veranstaltung: