Schutzwirkung des § 878 BGB für den Grundschulderwerber 
Bearbeiter: Prof. Dr. I. Fritsche, FHR/NRW
Erstveröffentlichung: NJ 1998, 141

BGB § 878; GBO § 17

1. Die Schutzwirkung des § 878 BGB endet mit der rechtmäßigen Zurückweisung eines unvollständigen Eintragungsantrages.

2. Die Rangstellung eines Eintragungsantrages nach Zurückweisung und deren Aufhebung aufgrund neuer Tatsachen bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Erinnerung beim Grundbuchamt eingeht. (Bestätigung von BGHZ 27 / 310, 316 f.)

(Leitsätze des Bearbeiters)

BGH, Urteil v. 17. 06.1997, XI ZR 119 / 96 (KG Berlin, LG Berlin)

Sachverhalt:
Die Schuldnerin, eine GmbH, bestellte am 08. Februar 1994 an Grundstücken in B. eine Buchgrundschuld in Höhe von 6.000.000 DM für die Beklagte. Der Eintragungsantrag wurde mit Beschluß des Grundbuchamtes vom 25. Juli 1994, nach fruchtlosem Ablauf einer einmonatigen Frist zur Behebung bestehender Eintragungshindernisse, zurückgewiesen.

Am 31. August 1994 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Im Februar 1995 legte der beurkundende Notar unter Behebung der genannten Eintragungshindernisse gegen den o.g. Beschluß des Grundbuchamtes Erinnerung ein. Dieses hob seinen Beschluß auf und trug die Grundschuld am 20. Februar 1995 ein.

 

Der Kläger, Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, ist der Ansicht, das Grundbuch sei unrichtig geworden, da es aufgrund der angeordneten Gesamtvollstreckung an der Verfügungsbefugnis der Schuldnerin und somit an einer wirksamen Einigung über die Bestellung der Grundschuld gefehlt hat.

Die Beklagte beruft sich auf § 878 BGB.

Das Landgericht hat die Klage, die sich auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Löschungsbewilligung richtete, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe:
Der § 878 BGB soll vor Beschränkungen der Verfügungsbefugnis schützen, die nach Abgabe der für die Grundbucheintragung erforderlichen Willenserklärungen beim Berechtigten eintreten. Zu diese Zeitpunkt erwirbt der Berechtigte, ähnlich wie beim Kauf einer beweglichen Sache unter Eigentumsvorbehalt, ein Anwartschaftsrecht, zumindest aber eine Anwartschaft, die über die Position eines lediglich obligatorisch Berechtigten hinausgeht (vgl. Wacke in MüKo, 3.Aufl., Bd.6, Rn.4 zu § 878 BGB). Da es die Beteiligten nach Abgabe der Erklärungen nicht mehr in der Hand haben, wann die Eintragung erfolgt, sollen nachträgliche Änderungen in der Verfügungsbefugnis des Berechtigten ohne Auswirkungen auf die abgegebenen Erklärungen bleiben, so daß die Rechtsänderung noch erfolgen kann (zum Anwendungsbereich des § 878 BGB und zu den von ihm erfaßten Verfügungsbeschränkungen vgl. Palandt/Bassenge, 56.Aufl. Rn.2 zu § 878 BGB, ausführlich Wacke in MüKo, Rn.19 ff.zu § 878).

Der BGH beschäftigt sich in seiner Entscheidung mit der Frage, ob die Schutzwirkung des § 878 BGB einem Grundschulderwerber auch dann zugute kommt, wenn der Grundschuldbesteller nach Zurückweisung des Antrages auf Eintragung der Grundschuld in der Verfügung beschränkt, die Zurückweisung nach Beseitigung von Eintragungshindernissen aufgehoben und die Grundschuld alsdann eingetragen wird.

Der BGH geht zunächst auf die unterschiedlichen Auslegungen in der Literatur ein, die sich auf die Frage konzentrieren, ob die Zurückweisung des Eintragungsantrages vor Eintritt der Verfügungsbeschränkung dazu führt, daß § 878 BGB nachfolgend auch dann nicht mehr anwendbar ist, wenn die Zurückweisung auf eine Beschwerde hin aufgehoben wird. Teilweise wird hierzu die Auffassung vertreten, daß mit "endgültiger" Zurückweisung der Eintragungsantrag seine Bedeutung für § 878 BGB verliert, während eine zwischenzeitlich erfolgte, auf eine Beschwerde hin wieder aufgehobene Zurückweisung unschädlich sei (Wacke in MüKo, Rn.7 zu § 878 BGB). Wann die Zurückweisung "endgültig" ist (mit Entscheidung des Grundbuchamtes oder erst mit Entscheidung des Beschwerdegerichtes), und ob eine Aufhebung nur wegen rechtswidriger Entscheidung des GBA oder auch wegen neuen Vorbringens des Beschwerdeführers dazu führt, daß der Antrag wiederauflebt oder als neu gestellt gilt, ist nach der Literatur nicht abschließend zu klären (vgl. auch Staudinger/Gursky, BGB 13.Bearb. Rn.40 zu § 878 BGB; Soergel/Stürner, BGB, 12.Aufl. Rn.5 zu § 878).

Diese Unklarheiten beendet der BGH nun, unter zustimmender Bezugnahme auf die Vorinstanz, dahingehend, daß die Schutzwirkung des § 878 BGB mit der rechtmäßigen Zurückweisung eines unvollständigen Antrages endet.

Zur Begründung führt der BGH zunächst den Zweck des § 878 BGB an. Die Norm soll vor verzögerter Eintragung im Grundbuch schützen, da der Eintragungszeitpunkt nicht mehr vom Handeln der Beteiligten abhängt. Gleichwohl sei ein Schutz vor Verzögerungen, die der Antragsteller selbst zu vertreten habe durch den Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen.

Im weiteren beruft sich der BGH auf die Systematik des Gesetzes, aus der sich ableiten lasse, daß § 878 BGB als Ausnahmevorschrift zu dem Grundsatz zu betrachten sei, daß die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Verfügung bis zur Grundbucheintragung gegeben sein müssen. Damit biete der § 878 BGB in dem Zeitraum der Anhängigkeit des Antrages, somit auch bei Verzögerungen durch das Verhalten des Antragstellers, Schutz vor Beschränkungen der Verfügungsbefugnis. Die Vorschrift könne jedoch nicht zwingend dahingehend ausgelegt werden, daß auch nach Zurückweisung des Antrages der materielle Schutz des Antragstellers zu gewährleisten ist. Dies würde über den in den Gesetzesmaterialien zur Entstehung des BGB genannten Zweck hinausgehen.

Die rechtsfehlerfreie Zurückweisung stellt nach Auffassung des BGH eine Erledigung des Eintragungsantrages i.S.v. § 17 GBO dar und ist somit eine wichtige Zäsur im Eintragungsverfahren. Das Verfahren ist jedenfalls bis zur Einlegung einer - unbefristet zulässigen - Erinnerung beendet.

Beruht die Aufhebung der Zurückweisung auf neuem Vorbringen, wird die Erinnerung im Rahmen des § 17 GBO und hinsichtlich der Ranganwartschaft nach einhelliger Meinung wie ein neu gestellter Antrag behandelt. Nichts spricht dagegen, die hier vorliegende Erinnerung gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrages in gleicher Weise zu behandeln.

 

Anmerkungen:
Die durch den BGH vorgenommenen Eingrenzung des Schutzbereiches des § 878 BGB trägt zur Rechtssicherheit bei der Anwendung der Norm bei.

Der BGH konkretisiert mit diesem Urteil den Anwendungsbereich des § 878 BGB auch im Hinblick auf die unklaren Auslegungen innerhalb des Schrifttums. Er folgt konsequenterweise dem durch den Beschluß vom 23.05.1958 (Az: V ZB 12/58; BGHZ 27 ,310, 316) eingeschlagenen Weg, wonach "sich die Rangstellung eines Eintragungsantrags nach Zurückweisung und deren Aufhebung aufgrund neuer Tatsachen nach dem Zeitpunkt bestimmt, in dem die Erinnerung beim Grundbuchamt eingeht."

Folgerichtig besteht daher nach rechtmäßiger Zurückweisung eines unvollständigen Eintragungsantrages dieser Antrag nicht mehr weiter, er ist erledigt im Sinne von § 17 GBO. Ein nachfolgendes neues oder ergänzendes Vorbringen (etwa in Verbindung mit einer Beschwerde gemäß § 71 ff. GBO bzw. Erinnerung gemäß § 11 RpflG), wird entsprechend § 74 GBO wie ein neu gestellter Antrag behandelt. Der BGH lehnt, der kommentierenden Literatur zur Grundbuchordnung folgend, eine Anwendung des Schutzes des § 878 BGB auf solche neu gestellten Anträge ab.

Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Anwendung des § 878 BGB für alle zu einem späteren Zeitpunkt ergänzten oder zurückgewiesenen Eintragungsanträge ausgeschlossen ist. Zum einen entfaltet die Norm ihre Schutzwirkung dort, wo der Antrag zunächst durch Zwischenverfügung beanstandet und dann nach Wirksamwerden der Verfügungsbeschränkung, aber vor endgültiger Zurückweisung des Eintragungsantrages, ergänzt wird. Allerdings kann die Zwischenverfügung im Hinblick auf § 878 BGB nur in solchen Fällen unschädlich sein, wo lediglich Mängel hinsichtlich formaler Eintragungsvoraussetzungen beanstandet und behoben werden. Rügt die Zwischenverfügung dagegen zu Recht Mängel hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Erklärung selbst, z.B. durch das Fehlen einer vormundschaftlichen Genehmigung, so kann deren Behebung nach Eintritt der Verfügungsbeschränkung nicht mehr zur Anwendung des § 878 BGB führen. (vgl. Haegele / Schöner / Stöber "Grundbuchrecht", 9.Auflage, Rn. 119)

Zum anderen lebt der Eintragungsantrag mit den Wirkungen aus § 878 BGB grundsätzlich wieder auf, wenn die rechtsfehlerhafte Zurückweisung des Antrages vom Grundbuchamt oder vom Beschwerdegericht aufgehoben wird, dem Antrag also ohne weitere Ergänzung die Eintragung folgt. Eine genauere Prüfung, ob die Aufhebung der Zurückweisung des Eintragungsantrages auf neuen Tatsachen beruht ist hierbei notwendig, sollte allerdings in der Praxis keine allzu großen Probleme bereiten.

Ergänzende Literaturhinweise: 
Böhringer, BWNotZ 1979, 141 ff.; Böttcher, Rpfleger 1983,49 ff. und 187 ff., ders. Rpfleger 1984,377 ff. u. 1985,1ff. , ders. Rpfleger 1985,381 ff.; Ganter, DNotZ 1990,517; Müller, JZ 1980,554 ff.