Mehr als zwei Stunden nahm sich Anstaltsarzt und Schauspieler Joe Bausch am Mittwoch, dem 13. März 2013, Zeit, um in der voll besetzten Aula der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen vor Studierenden und Angehörigen der Fachhochschule sowie Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bad Münstereifel aus seinem Buch "Knast" zu lesen und Fragen zu beantworten. Die Lesung entwickelte sich unversehens zu einem intensiven Bericht über seinen Berufsalltag als Arzt in den Justizvollzugsanstalten Werl und Hamm sowie einem tiefen Bekenntnis zu Humanität und Menschenwürde im modernen Justizvollzug.
Beeindruckend war die Einsicht, dass in einer Justizvollzugsanstalt rund 900 Gefangene aus 47 Nationen mit langen, z.T. lebenslangen Haftstrafen zusammenleben und medizinisch versorgt werden müssen. Die Belustigung des Publikums - etwa über den Chinesen, der kaum des Deutschen mächtig für den anderen Chinesen das Patientengespräch dolmetscht oder den Gefangenen, der unter Ankündigung anwaltlicher Hilfe um ein zweites Kopfkissen kämpft - wechselte ab mit Erschütterung - z.B. über den notorischen Betrüger, der in Haft sterben wollte, oder den Kindersoldaten, der zum Morden und Misshandeln gezwungen worden war - und Ernüchterung angesichts von Gewalt, Lügen und Denunziation unter den Gefangenen.
Am wertvollsten aber dürfte für die Studierenden des Studiengangs "Strafvollzug" die Erkenntnis gewesen sein, dass und warum Joe Bausch auch noch nach 26 Berufsjahren als "Hausarzt von Mördern, Totschlägern, Vergewaltigern etc." so eine große Befriedigung aus seiner Arbeit zieht: "Knast ist" - wie er sagt - "mehr als nur ein Platz, an dem ein Straffälliger sicher weggesperrt werden kann. Ein moderner Strafvollzug bietet den Häftlingen auch Hilfestellungen und eröffnet ihnen Chancen. ... Auch der Beitrag, den die Medizin im Knast leistet ist enorm. ... Welchen Stellenwert Humanität und Menschenwürde in einer Gesellschaft einnehmen, und wie viel sie bereit ist, auszuhalten, um diesen Prinzipien gerecht zu werden, lässt sich in vielen alltäglichen Situationen beobachten. Manchmal muss man dafür erst einen Blick in den Knast werfen" (S. 283/284).
Im Rahmen der Lesung wurde zugleich die in jeder Hinsicht großartige Fotoausstellung der Künstlerin Thea Weires eröffnet, die im Jahr 2010 in der Justizvollzuganstalt Düsseldorf fotografiert und eine beeindruckende Reihe großformatiger Kunstwerke geschaffen hat: Zu sehen sind sechs 1,50 m x 2,00 m große sowie 31 kleinere schwarz-weiße Einzelportraits von Männern, die dem Betrachter ein Rätsel aufgeben: Gefangener oder Bediensteter? Auf jeden Fall Mensch ... und würdig.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. April 2013 in der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen, Schleidtalstraße 3, 53902 Bad Münstereifel, zu sehen.