Studiengruppe Malta Strafvollzug in Malta

 

Als erster Jahrgang des Fachbereichs Strafvollzug flogen wir Ende September in den Süden Europas… nach Malta. Nach einem turbulenten Flug erwartete uns unser Domizil in Sliema und kurz darauf die vielen Gesichter der Hauptstadt Valletta: Barocke Architektur, entstanden aus dem Meer enthobenem Sandstein, Befestigungsanlagen der Ritter des Johanniter-, vormals Malteserordens, Sitz der maltesischen Regierung und Justizeinrichtungen und den verschiedenen Eindrücken aus der vergangenen, britischen Kolonialzeit.

Wir nutzten viele der gebotenen Möglichkeiten, indem wir die Staatsbibliothek, das Archäologische Museum und den geschichtsträchtigen Grandmaster´s Palace, dem seit Jahrhunderten die Beherbergung der Regierungsoberhäupter auf Malta, von seinerzeit Rittern über die Kolonialherren der Briten bis hin zum heutigen Amtssitz des maltesischen Präsidenten, obliegt, besuchten. Hier tagt auch das Parliamentof Malta umgeben von prächtigen Gobelins und wandschmückenden Fresken und Wappen.

 Im Untergeschoß des Palastes erkundeten wir die „Grand Armoury“, eine der größten antiken Waffenkammern und Sammlungen von Rüstzeug Europas und ließen uns in die Zeit des Rittertums und der „großen Belagerung“ versetzen.

Dank der Vermittlung der deutschen Botschaft wurde es uns ermöglicht, einem Verhandlungstag in einem Strafprozess, in Sachen Prostitution und Menschenhandel, beizuwohnen.

Zu unser aller Überraschung  begrüßte uns der vorsitzende Richter mit den Worten: „… ein herzliches Willkommen  an unseren deutschen Gäste…“ und erklärte uns weiterhin in deutscher Sprache den Ablauf einer „angloamerikanischen“ Gerichtsverhandlung, deren beteiligte Personen und ihre Position und Funktion im Sitzungssaal. Auch der vorliegende Prozessinhalt wurde ausgiebig erläutert, sodass wir die extra für uns zur Verfügung gestellte Dolmetscherin nicht mehr benötigten.

Insgesamt war der Vorsitzende glänzender Laune und so war auch der ein oder andere Scherz Teil der Verhandlung. Da der Prozess schon so weit fortgeschritten war, dass es  Zeit für die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung war und ein Urteil der Jury kurz bevorstand, hatte der Richter ein wenig Muße der Verhandlung, minimal abweichend vom deutschen Prozessablauf, mit einer Tasse eigens für ihn, von der Gerichtsdienerin aus dem Nebenraum geholten Kaffees, zu folgen.

Um die historische Entwicklung des maltesischen Strafvollzuges und deren Umsetzung in Vollzugseinrichtungen nachvollziehen zu können, war es für uns weiterhin von großem Interesse, auch das „Old Prison“ , ein ehemaliges Gefängnis auf der einst als Auslagerungsort für Straftäter genutzten  Nachbarinsel Gozo, zu besichtigen. Hierfür nahmen wir einen anstrengenden und mehrstündigen Bus- und Fährtransfair auf uns. Doch auch der lohnte sich, denn uns erwarteten mittelalterliche Befestigungsanlagen und damalige Gepflogenheiten des Strafvollzuges, inklusive Pranger am Eingang.

Erstaunlich war die überlieferte Information über gute Verpflegung zu damaligen Zeiten, denn neben Fisch, Oliven, Milch, Eiern, Brot und dreimal wöchentlichem Fleischangebot war auch Frischobst in der Versorgung enthalten. Allerdings mussten dafür Einbußen in der Haftraumhöhe und den sanitären Anlagen hingenommen werden.

Ein weiteres Ziel und der eigentliche Höhepunkt unserer Reise, der dem Engagement der deutschen Botschaft und dem rhetorisch gekonnten Einsatz Herrn Dohmens zu verdanken war, stellte natürlich die in Augenscheinnahme der heute genutzten maltesischen Justizvollzugsanstalt dar.

In Begleitung eines Botschaftsmitarbeiters gewährte man uns Einlass hinter die Mauern und führte uns durch die Einrichtung. Fast jede noch so kleine Frage wurde schon durch die geduldigen und gut verständlichen Ausführungen des Co-Officers beantwortet und wir konnten umfangreiche Vergleiche anstellen.

Das Gefängnis mit seinen 600 Inhaftierten ist stark an militärische Grundzüge angelehnt, wodurch ein morgendlicher Appell der Bediensteten („Officers“) vor „ Manager“ oder „Director“ zum regulären Tagesbild gehört. Nach Verlesung des Protokolls des vorherigen Tages durch den Anstaltsleiter werden die täglichen Aufgaben erörtert. Im Anschluss daran nehmen die Bediensteten ihre Arbeit auf. Da Malta nur ein Gefängnis besitzt, liegt die Zuständigkeit aller Haftarten zentral in Valletta, deren Ausführung allerdings streng, nach Geschlechtern (auch was die betreuenden Bediensteten angeht) und Alter, getrennt ist.

Weibliche Inhaftierte bilden auf Malta ebenfalls eine Minderheit, wobei die allgemeine Anzahl der Inhaftierten, im Verhältnis zur Größe (vgl. Fläche von Bremen) und Einwohnerzahl (aktuell 408.333) der Insel, sehr beachtlich ist.

Baulich fiel vor allem die viktorianisch geprägte Ausstattung des Altbaus in Form von geschwungenen Ranken und Blüten besetzter, schmiedeeiserner Treppen und Gittertüren als Verbindung zu den Abteilungen ins Auge, allerdings war der Kontrast zum Sporthof umso größer, da dieser trotz Innenlage, mit mehreren Rollen Wiederhakensperrdraht versehen war. Auch  besonders gesicherte Abteilungen für Intensiv- oder besonders gewaltbereite Täter, sind in diesem Teil des Gebäudes untergebracht. Diese Abteilungen sind aber im Gegensatz zu den uns aus den hiesigen JVAen vertrauten Sicherheitsvorkehrungen ausschließlich durch eine einfache Riffelblechtür und ein handelsübliches Vorhängeschloss von den anderen Haftbereichen abgetrennt.

Allgemein konnte man sehr viele Parallelen zum hiesigen Vollzug entdecken, so auch die Beschäftigungsarten der Gefangenen: Einerseits Arbeit, Sport oder Freizeitaktivitäten, andererseits schulische Bildungsmaßnahmen, die jedoch in keiner Weise monetär vergütet werden, da der Missbrauch zu „einfach“ verdientem Geld von vorneherein ausgeschlossen werden soll. Auch die Religionsausübung wird, schon aufgrund der römisch-katholischen Prägung Maltas, sehr umfangreich (tägliche Messe) in der anstaltseigenen Kapelle ermöglicht.

Nachdem uns diese Themen vom Co-Officer und im Gespräch mit dem Pädagogen der Anstalt in den Schulräumen erläutert wurden, führte man uns zu einem separaten Gebäude, in der Nähe zur Kirche, wo wir eine historische Hinrichtungsstätte mit Galgenanlage vorfanden. Sämtliche Bestandteile des Vollstreckungsvorganges, wie Gewichte, Henkerskutte, Leichentuch und Karren waren für Ausstellungszwecke an ihren Plätzen belassen worden und wurden uns am Platz veranschaulicht. Mittels dieser Anlage wurde 1943 zum letzten Mal die Todesstrafe auf Malta vollstreckt.

Nach diesen eingehenden Eindrücken endete unsere umfangreiche Führung im „Prison of Valletta“ und der Co-Officer wünschte uns viel Erfolg bei unserer weiteren Tätigkeit im Vollzug.

Am letzten Abend trafen wir uns dann schließlich alle zum gemeinschaftlichen Restaurantbesuch und Ausklang der Studienfahrt, bevor uns am nächsten Morgen der Flieger mit erweitertem Horizont der Heimat entgegenbrachte.

Und wir können nur sagen, Goethe hatte Recht: „…. eine (Studien-) Reise ist unschätzbar, sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet!“