Herr Professor Dr. Peter Münster von der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen hat am 23.10.2010 in Paris am Institut de France im Rahmen des Internationalen Kolloquiums „Das Schamgefühl zwischen Strafe und Buße / La Honte entre peine et pénitence / Shame between punishment & penance“ einen Vortrag zu dem Thema „Das Konzept des ‚reintegrative shaming‘ in der strafrechtlichen Sozialkontrolle“ gehalten.

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Die Fachtagung diente dem gegenseitigen Austausch von insbesondere französischen, deutschen und US-amerikanischen Forscherinnen und Forschern, die sich mit der Bedeutung des sozialen Schamgefühls im Kontext von Theologie sowie Kriminalitäts- und Strafrechtsgeschichte beschäftigen. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtungen standen zunächst die Rolle der Scham im theologischen Diskurs des Mittelalters und ihr sozialer Gebrauch im Bereich von öffentlicher Buße und privater Beichte. Hieran anschließend wurde der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Entwicklung der religiösen Scham auf die Entstehung und Ausbreitung beschämender Strafen im weltlichen Strafrecht des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit genommen hat. Ursprung, Formen und Funktionswandel von Schand- und Ehrenstrafen wie Pranger, Halseisen oder Eselsritt wurden diskutiert und zu aktuellen Tendenzen einer Wiederbelebung von Scham und Beschämung im Strafrecht der Gegenwart in Beziehung gesetzt.

In seinem Vortrag erläuterte Prof. Dr. Münster das von dem australischen Kriminologen John Braithwaite entwickelte Konzept des „reintegrative shaming“ als Grundlage  für ein modernes Beschämungsstrafrecht. Als Musterbeispiel einer wiedereingliedernd-beschämenden Sanktionsform gilt hierbei das aus Neuseeland stammende sog. „conferencing“, eine modifizierte Form des Täter-Opfer-Ausgleichs, bei welcher der Täter offen in einer Gruppe über die Straftat sprechen und sich dafür schämen muss, ehe er durch einen (symbolischen) Akt der Vergebung wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Abzulehnen sind dagegen vor allem im angloamerikanischen Raum zu beobachtende „shame penalties“ wie die Auflistung verurteilter (Sexual-) Straftäter im Internet oder das Tragen selbst bezichtigender Plakate in der Fußgängerzone mit der Aufschrift „Ich bin ein Dieb!“. Hier drohen inhumane Anprangerung und soziale Stigmatisierung der Straftäter, die in kriminalpräventiver Hinsicht mehr schaden als nützen. Diese nach Braithwaite notwendige differenzierte Bewertung verschiedener Beschämungsformen konnte im Fortgang des Kolloquiums als wichtiger Vergleichs- und Interpretationsmaßstab für weitere Analysen des historischen Beschämungsstrafrechts des Mittelalters und der Frühen Neuzeit genutzt werden.

Herr Professor Dr. Münster ist 2007 zum Professor an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen ernannt worden. Er vertritt im Fachbereich Strafvollzug Forschung und Lehre insbesondere in den Fächern Strafrecht und Strafvollzugsrecht.