Am Mittwoch, dem 26. März 2014, hat Herr Professor Dr. Frank Neubacher, Direktor des Instituts für Kriminologie an der Universität zu Köln, in der Fachhochschule vor den Studierenden und Lehrenden des Studiengangs Strafvollzug einen Vortrag über "Gewalt unter jungen Gefangenen - Ergebnisse eines kriminologischen Forschungsprojekts in Nordrhein-Westfalen und Thüringen" gehalten.

Herr Prof. Dr. Neubacher hat die Forschungsergebnisse einer vom ihm seit 2010 geleiteten Längsschnittstudie zur Gewalt im männlichen Jugendstrafvollzug, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, vorgestellt.

Darin führte er den zahlreich erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörern eindrucksvoll vor Augen, dass Gewalt im Jugendstrafvollzug bei einer Prävalenzrate von Körperverletzungen (42 - 46%) alltäglich ist. Wobei zu beachten ist, dass alle genannten Raten sich auf den zurückliegenden 3-Monats-Zeitraum beziehen. Besonders häufig berichteten die befragten Gefangenen von psychischer Gewalt (Prävalenzrate knapp über 80%), sexuelle Gewalt hingegen selten (um 2-3%). 70% der Befragten sahen sich sowohl als Täter als auch Opfer von Gewalt; nur 5% der Befragten erlebten sich als in keiner Weise betroffen. Deutlich wurde, dass das Gewaltverhalten einhergeht mit entsprechenden Einstellungen, wie Akzeptanz von Gewalt, Männlichkeitsvorstellungen, positive Einstellungen zur Subkultur.

Herr Prof. Dr. Neubacher verwies auf einen starken Zusammenhang zwischen gelebter Gewalt im Vollzug und Erleben von Gewalt in Kindheit und Jugend (Erlernen von Gewalt). Weiterhin wies er darauf hin, dass das Ausmaß der gezeigten Gewalt im Vollzug steigt mit der Dauer der Inhaftierung, dem niedrigen Alter der Inhaftierten sowie dem Ausmaß an Autonomieverlust in der Haft.

Als wesentlichen gewaltreduzierenden Faktor benannte er das Erleben von Verfahrensgerechtigkeit. Folglich sind Gefangene mit Achtung und Fairness zu behandeln.

Nur 47% der Gefangenen geben an, sich vor Übergriffen sicher zu fühlen. "Hot spots" der Gewalt sind danach der Haftraum und die "Freistunde" im Hof.

Die als Kontrollgruppe befragten Bewährungsprobanden berichteten zum Erstaunen der Zuhörerschaft von einer deutlich erhöhten Gewaltbelastung im Vergleich zu den befragten jungen Gefangenen.

Herr Prof. Dr. Neubacher verglich darüber hinaus die erfragten Ergebnisse mit vorgefundenen objektivierbaren Daten und kam so zu einer Hellfeld-Dunkelfeld-Relation der vorgestellten Untersuchungsergebnisse. Sie beträgt wenigstens 1:3,5 (Personen) bzw. 1:4,6 (Taten). Auf einen der Anstalt bekannten Täter kommen also wenigstens drei bis vier unbekannt gebliebene.

Nach der eindrucksvollen Präsentation der Untersuchungsergebnisse folgte eine lebendige und engagierte Diskussion mit den Zuhörerinnen und Zuhörern.

Vortrag von Professor Dr. Frank Neubacher
Vortrag von Professor Dr. Frank Neubacher