Die Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen

Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven

Die Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen in Bad Münstereifel nimmt mitgestaltend an den aktuellen Reformentwicklungen der Landesjustiz teil. Die herkömmlichen Ausbildungsgänge werden grundlegend modernisiert. Im Bereich der Betriebswirtschaftslehre und der Informationstechnik entstehen neue Arbeitsfelder. Fort- und Weiterbildungsaufgaben treten stärker in den Vordergrund. Eine Zusammenführung justizinterner Ausbildungsgänge in Bad Münstereifel bietet sich an.

Ausbildungsreform im Fachbereich Strafvollzug
Der gehobene Vollzugs- und Verwaltungsdienst aus den Ländern:
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
erfährt seine fachwissenschaftliche Ausbildung an der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel. Auch der größere Teil der neuen Länder beteiligt sich inzwischen am Studiengang Strafvollzug. Struktur und Inhalte des Studiums haben in den letzten Jahren eine grundlegende Neuordnung erfahren. Betriebswirtschaftslehre ist als Lehrfach eingeführt worden. Der Lehrplan umfaßt u.a. Budgetierungsverfahren, Kosten- und Leistungsrechnung, Methoden der Wirtschaftlichkeitsrechnung, Organisation, Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Controlling.

In fortgeschrittenen Studienabschnitten werden Lehrgegenstände fachübergreifend in Studienobjekten unterrichtet, um die Aufgabenstellungen der Praxis stärker in das Studium zu integrieren. Derartige Objekte sind etwa
Organisation
Jugendliche Straftäter und Straftäterinnen
Nichtdeutsche Straffällige
Bildungsmaßnahmen für Gefangene
Vollzugsplanung
Sicherheitsorganisation in Einrichtungen des Justizvollzuges.

Die tradierten Lehrfächer treten demgegenüber etwas zurück, behalten aber ihre Bedeutung für die Wissensvermittlung.

Die begleitenden Lehrveranstaltungen während der fachpraktischen Ausbildung finden inzwischen zu wesentlichen Teilen für mehrere Länder gemeinsam an der Fachhochschule statt. Diese Vereinheitlichung des Lehrangebots stärkt die Qualität der Ausbildung und erhöht die Chancengleichheit für die Studierenden.

Das Lehrangebot der Fachhochschule trägt den veränderten Gegebenheiten der Vollzugspraxis und dem schnell wachsenden Bedarf an betriebswirtschaftlicher Kompetenz im gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst Rechnung. Es wird gut angenommen. Die Studierendenzahlen im Fachbereich Strafvollzug zeigen eine deutlich steigende Tendenz.

 

Verwaltungszusatzausbildung für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger
Die in der Justizverwaltung tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des gehobenen Dienstes benötigen aus Anlaß der aktuellen Verwaltungsreform betriebswirtschaftliche Kenntnisse und eine qualifizierte Verwaltungsausbildung. Die   Rechtspflegerausbildung kann die erforderliche Sachkunde in der verfügbaren Studienzeit nicht vermitteln. Es wird deshalb eine Verwaltungszusatzausbildung für den gehobenen Justizdienst eingeführt werden. Sie ist auf eine Gesamtdauer von 6 Monaten angelegt und wird sich in fachwissenschaftliche und fachpraktische Zeiten gliedern. Der Theorieanteil soll 4 Monate betragen und etwa 450 Lehrveranstaltungsstunden umfassen. Die zeitliche Verteilung von Theorie- und Praxisphasen bedarf noch der endgültigen Festlegung. Als Teilnehmer sind jüngere Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger vorgesehen, die sich in Justizverwaltungssachen eingearbeitet haben und an einer weiteren Tätigkeit in diesem Bereich interessiert sind. Das Curriculum wird z.Zt. in einer vom Justizministerium eingerichteten Arbeitsgruppe mit Unterstützung von Professoren der Fachhochschulen Bochum und Gelsenkirchen erarbeitet. Als Lehrinhalte sind u.a. Rechnungswesen und Controlling (Haushalt/Budget, Haushaltsflexibilisierung, dezentrale Ressourcenverwaltung, Grundlagen des Rechnungswesens und der Buchführung, neuere Steuerungsinstrumente, KICK-Prinzipien, Optimierung von Investitionsentscheidungen, Sachhaushalt, investiver Haushalt), Beschaffungs-, Bau- und Grundstücksangelegenheiten, Ausschreibungsverfahren, Personalmanagement (Konfliktmanagement, Personalbedarfsplanung, Arbeitszeitmodelle und Flexibilisierung unter Einbeziehung von Arbeits-, Beamten- und Personalvertretungsrecht) sowie Organisationsentwicklung (Büroorganisation, Bauverwaltungsrecht, Bürgerorientierung, Qualitätsmanagement, Vorschlagswesen) geplant. Als Lernmethoden werden neben dem seminaristischen Unterricht Fallstudien, Projektbearbeitung, Rollenspiele, Gruppenarbeiten und PC-gestützter Unterricht dienen.

Das Curriculum soll Mitte des Jahres 1999 fertiggestellt sein. Der erste Lehrgang kann voraussichtlich Anfang des Jahres 2000 beginnen.

 

Rechtspflegerausbildung nach der Jahreswende 2000
Das Berufsfeld des Rechtspflegerdienstes ist einem starken Wandel unterworfen. Aufgabenverlagerungen auf den mittleren Dienst und den Gerichtsvollzieherdienst steht ein Zuwachs an anspruchsvollen Tätigkeiten z.B. im Insolvenzrecht gegenüber, die u.a. verstärkt betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraussetzen. Das Fachhochschulstudium berücksichtigt diese Veränderungen. Es wird auch die neuen Strukturen am Arbeitsplatz des Rechtspflegers in die Ausbildung einbeziehen. Die für den Rechtspflegerdienst entwickelte neue Informationstechnik muß Bestandteil der Lehrveranstaltungen werden, damit die Studierenden neben den für ihren Beruf erforderlichen Rechtskenntnissen die Fähigkeit zur praktischen Anwendung erwerben. Die IT-Grundbuchverfahren FOLIA und - später - SOLUM II sowie IT-InsO stehen neben der Software RASYS und RIS am Anfang dieses Prozesses. Die stark zurückgehenden Studierendenzahlen im Fachbereich Rechtspflege erleichtern der Fachhochschule die notwendigen inhaltlichen und methodischen Umstellungen.

 

Betriebswirtschaftliches Kompetenzzentrum für die Landesjustiz
An der Fachhochschule entsteht derzeit ein "Betriebswirtschaftliches Kompetenzzentrum". Es soll den mit der Einführung eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Managements und neuer Steuerungsmodelle entstehenden Bedarf an betriebswirtschaftlicher Sachkunde bedienen. Neben den Ausbildungsaufgaben wird das Zentrum umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich der Fort- und Weiterbildung wahrnehmen und sich dabei an den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen der Justiz orientieren. Dezentrale Schulungen, die den laufenden Dienstbetrieb berücksichtigen, und Unterstützungsleistungen vor Ort werden ein wichtiger Teil des Tätigkeitsfeldes sein. Mittelfristig ist die übernahme von Organisationsuntersuchungs-, Beratungs- und Entwicklungsaufgaben im Bereich der Landesjustiz vorgesehen.

Für das "Betriebswirtschaftliche Kompetenzzentrum" stehen der Fachhochschule zunächst zwei Stellen für entsprechend qualifizierte Betriebswirtschaftler zur Verfügung, eine Professoren- und eine Angestelltenstelle. Die Ausschreibung ist erfolgt, das Bewerbungsverfahren abgeschlossen. Die Fachhochschule geht davon aus, daß das Zentrum in der zweiten Jahreshälfte 1999 seine Arbeit aufnehmen kann.

 

Die Fachhochschule und "Justiz Online"
Die Fachhochschule wird am 1.7.1999 ihre Homepage im Internet eröffnen. Die Adresse lautet: www.fhr.nrw.de. Das Informationsangebot der Website soll weit gefächert sein. Einige Themenschwerpunkte:
die Fachbereiche und Studiengänge: Rechtspflege, Strafvollzug und Auswärtige Angelegenheiten,
Elektronische Skripten und übungsklausuren mit Lösungsvorschlägen,
die vollständigen Fortbildungsprogramme von Justizakademie und Fachhochschule,
Infos und Tips rund um die Rechtsantragstellen-Software RASYS und RIS mit neuen Formularen und Updates zum Download,
Links zu interessanten juristischen Informationen im World Wide Web.

Mit der FHR-Homepage eröffnet die Fachhochschule eine Reihe von Online-Vorhaben der Justiz, die unter dem Namen "Justiz Online" im April vom Justizministerium NRW initiiert worden sind. Die Fachhochschule möchte "Justiz Online" mit mehreren Vorhaben unterstützen:

Internet zur Darstellung der Justiz vor Ort (Erstellung einer Muster-Homepage für Behörden vor Ort, Schulung von Multiplikatoren zur Erstellung und Pflege einer Homepage),
Internet als Kommunikationsmedium,
(u.a. Erstellung eines Organisationsleitfadens für Behörden),
Internet als Auskunftssystem für Bürger
Technische Umsetzung des Internet-Zugangs
(Schulung von Multiplikatoren zur technischen Pflege der Hard- und Software),
Intranet für Gerichte und Staatsanwaltschaften (Erstellung eines Muster-Intranets einer Behörde, Schulung von Multiplikatoren zur Erstellung eines Behördenintranets),
technische Umsetzung eines Intranets.

 

Fort- und Weiterbildung
Die Fachhochschule verfügt seit gut einem Jahr über ein eigenes Tagungshaus mit 8 Hörsälen, 65 Einzelzimmern für Tagungsgäste, einer Mensa, Kleingruppenräumen und der zugehörigen Infrastruktur. Das Angebot bei den Unterkünften läßt sich durch die Einbeziehung eines Gästehauses noch erheblich ausweiten. Diese Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten stehen der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung und werden vielfach für eigene Veranstaltungen der Fachhochschule genutzt, die beabsichtigt, ihr Weiterbildungsangebot schrittweise auszubauen.

Die Fachhochschule ist damit trotz der zurückgehenden Studierendenzahlen im Fachbereich Rechtspflege voll belegt.
Gebäude und Ausstattung mit modernem Standard Die Justizverwaltung hat die Fachhochschule in den letzten Jahren umfassend erweitert, saniert und modernisiert.

In den Jahren 1992 und 1993 ist ein Neubaukomplex (heutiges Tagungshaus, Gästehaus, Studierendenwohnheime) für 26,5 Mio. DM entstanden. In den Altbestand sind bis 1998 für Energieeinsparmaßnahmen und Sanierungsarbeiten 15,5 Mio. DM investiert worden. Für die Fortführung dieser Arbeiten im Jahre 1999 sind rund 2 Mio. DM vorgesehen. Die Kosten für die Ausstattung der Fachhochschule mit IT-Hardware und Mobiliar in den Jahren 1992 - 1998 belaufen sich auf 3,5 Mio. DM. Durch diese Investitionen im Gesamtumfang von rund 47,5 Mio. DM ist die Fachhochschule wahrscheinlich zur modernsten Ausbildungseinrichtung der Landesverwaltung geworden. Es liegt nahe, die guten Ressourcen in Bad Münstereifel auch bei der Konzentration von Justizausbildungseinrichtungen zu nutzen.

Hanno Allolio