Das Studium an der FHR NRW im Studiengang Rechtspflege

1. Grundlagen
Der Studiengang Rechtspflege an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen ist ein rechtswissenschaftliches Studium. Entsprechende Studieninhalte prägen nahezu ausschließlich die Ausbildung. Das Studium dient als Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn des gehobenen Justizdienstes. Es dauert drei Jahre. Der zeitliche Rahmen ist für die Studierenden bindend. Diese können das Studium nicht von sich aus verlängern.

Das Studium besteht aus fachwissenschaftlichen und fachpraktischen Studienzeiten. Für das fachwissenschaftliche Studium ist gesetzlich eine Gesamtzeit von mindestens 18 Monaten vorgeschrieben (§ 2 RpflG). Der Studiengang Rechtspflege kommt mit dieser Studienzeit aus.

Für die Gliederung des Studiums in fachwissenschaftliche und fachpraktische Abschnitte gilt die folgende Struktur:
praktische Einführung    1 Monat
fachwissenschaftliches Studium I    10 Monate
fachpraktische Ausbildung I    13 Monate
fachwissenschaftliches Studium II    5 Monate
fachpraktische Ausbildung II    4 Monate
fachwissenschaftliches Studium III    3 Monate.

Fachwissenschaftliche und fachpraktische Studienzeiten folgen einander ohne Unterbrechung. Semesterferien oder längere studienfreie Zeiten gibt es nicht.

Die Studierenden werden als Beamte auf Widerruf eingestellt. Aufgrund ihrer Verbeamtung haben sie Dienstpflichten, mit denen Semesterferien oder ähnliche Freistellungen unvereinbar wären. Es besteht lediglich ein Anspruch auf Jahresurlaub nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, der zu festliegenden Zeiten während der fachpraktischen Studienzeiten abgewickelt wird.

Das Studium im Studiengang Rechtspflege ist darauf angelegt, den Absolventen diejenigen Fertigkeiten zu vermitteln, die sie benötigen, um nach Abschluß der Ausbildung ohne nennenswerten Einarbeitungsaufwand die Arbeitsaufgaben ihrer Laufbahn zu bewältigen. Sie sollen Berufsfertigkeit mit Berufsfähigkeit verbinden. Das führt zu einer hohen Spezialisierung der Ausbildung. Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Studierenden sind gering. Die Studieninhalte liegen weitgehend fest.

Der Organisationsgrad des Studiums ist sehr hoch. Die Ausbildung ist stark verschult; dreißig Lehrveranstaltungsstunden in der Woche sind üblich. Es besteht grundsätzlich Anwesenheitspflicht. Die Möglichkeiten, bei Hochschullehrern der eigenen Wahl zu studieren, sind begrenzt.

Die Lehrveranstaltungen finden weitgehend in Gruppen von 15 – 25 Teilnehmern statt. Sie sind regelmäßig auf eine Beteiligung der Studierenden angelegt und werden in seminaristischer Arbeitsweise durchgeführt. Großvorlesungen sind die seltene Ausnahme.

Zur Leistungskontrolle werden während des fachwissenschaftlichen Studiums bis zu dreißig Klausuren geschrieben. Zwischenprüfungen finden nicht statt.

Der Beamtenstatus der Studierenden und die Ausbildungsstruktur schließen einen Wechsel der Fachhochschule während des Studiums nahezu aus. Auch Studienzeiten im Ausland sind kaum möglich.

Die Ausbildung schließt mit einer Prüfung ab, die aus sieben Klausuren und einem mündlichen Teil besteht. Die Klausuren werden noch innerhalb der vorgegebenen dreijährigen Studienzeit geschrieben. Es handelt sich um sieben fünfstündige Aufgaben, die innerhalb von zwei Wochen zu schreiben sind. Die mündliche Prüfung wird nach Ablauf der vorgeschriebenen Studienzeit durchgeführt.Vorleistungen werden nicht angerechnet. Die Ausbildungsleistungen werden jedoch bei der Abschlußprüfung wertend berücksichtigt. Die Vorlage einer Diplomarbeit wird für die Laufbahnprüfung nicht gefordert. Für die Diplomierung genügt das Bestehen der Laufbahnprüfung. Die Abnahme der Prüfung erfolgt durch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen.

 

2. Stellung der Studierenden, Studienbedingungen und übernahmeaussichten
Die Studierenden erhalten als Beamtinnen und Beamte auf Widerruf Anwärterbezüge nach Maßgabe des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Dazu gehören neben dem Anwärtergrundbetrag (z.Zt. rund 1.600,00 DM bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres, danach rund 1.800,00 DM) verschiedene Zuschläge, die jährliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) und das jährliche Urlaubsgeld.

Während des fachwissenschaftlichen Studiums werden die Studierenden von Amts wegen untergebracht und verpflegt. Dafür ist ein monatlicher Betrag von 210,00 DM (Ledige) bzw. 140,00 DM (Verheiratete) zu zahlen.

Die Quote der Studienabbrecher liegt im Durchschnitt bei etwa 5 %. Die Regelungen des § 59 BBesG eröffnen die Möglichkeit, bei einem Abbruch des Studiums die Anwärterbezüge zurückzufordern. Das Land Nordrhein-Westfalen setzt entsprechende Rückforderungsansprüche in den letzten Jahren konsequent durch.

Mit Abschluß des Prüfungsverfahrens wird das Beamtenverhältnis auf Widerruf beendet. Es gibt keine Zusage der übernahme. Die Studierenden werden bei der Einstellung vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie auch bei einem erfolgreichen Abschluß ihrer Ausbildung keinen Anspruch auf einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst haben. Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt bisher die erfolgreichen Absolventen durchweg als Beamte auf Probe. Das dies auch in Zukunft so sein wird, ist fraglich.

 

3. Einstellungsvoraussetzungen, Auswahlverfahren und Bewerbung
Zum Studium an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen kann zugelassen werden, wer die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten erfüllt und nach den charakterlichen, geistigen und körperlichen Anlagen sowie in gesundheitlicher Hinsicht für die Laufbahn geeignet ist, eine zum Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder einen als gleichwertig anerkannten Bildungsabschluß besitzt und zum Zeitpunkt der Einstellung noch nicht 27 Jahre alt ist.

Die Zahl der Bewerbungen übersteigt die vorhandenen Anwärterstellen und Studienplätze um ein Vielfaches. Obwohl die Fachhochschulreife für das Studium genügt, werden ganz überwiegend Abiturienten eingestellt. Ihr Anteil liegt bei 90 %. Die Einstellungen erfolgen durch die Präsidenten der Oberlandesgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln.

Die Auswahl richtet sich zunächst nach der Abitur- oder Schulabschlußnote. Der Abiturdurchschnitt der Studienanfänger liegt bei etwa 2,1. Den Leistungen in den Abiturfächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache kommt ein besonderes Gewicht zu. Die durch gute Abiturnoten ausgewiesenen Bewerber werden zu einem Auswahlgespräch gebeten.

 

4. Gründe für das Studium an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen
Die großen Bewerberzahlen und die hohen Auswahlstandards belegen, daß das Studium an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen attraktiv ist. Ein entscheidender Vorzug liegt darin, daß die Studierenden durch die Anwärterbezüge finanziell unabhängig sind. Zudem verspricht der erfolgreiche Studienabschluß bisher einen sicheren Arbeitsplatz. Die kurzen Studienzeiten und der hohe Praxisbezug der Ausbildung werden von solchen Studieninteressenten bevorzugt, die ihre Fähigkeiten weniger in der wissenschaftlich-theoretischen Arbeit sehen und die die Dauer ihrer Ausbildung zeitlich begrenzen möchten. Der letztgenannte Gesichtspunkt fällt besonders bei jungen Frauen ins Gewicht, deren Lebensplanung auf die Gründung einer Familie ausgerichtet ist. Sie wollen zu deren wirtschaftlichen Grundlagen beitragen und sich für den Fall des Scheiterns ihrer Partnerbeziehung absichern. Der Frauenanteil bei den Studierenden schwankt zwischen 60 und 70 %. Die beschränkten Gestaltungsmöglichkeiten während des Studiums und die überschaubaren, klar vorgezeichneten beruflichen Entwicklungschancen werden als sichernder Rahmen und weniger als Nachteil empfunden.

Hanno Allolio,
Direktor der Fachhochschule für Rechtspflege
Nordhrein-Westfalen