Grundbuchverfahrensrecht, Antragsberechtigung, Beschwerdeberechtigung, Eintragungsvoraussetzungen, Formerfordernisse
Bearbeiter: Prof. Dr. I. Fritsche/FHR
Erstveröffentlichung: NJ 1999, 650

BGH, Beschluss vom 6.5.1999 – VZB 15/99 (OLG Thüringen)
GBO § 13 Abs. 1 S. 2, § 29 Abs. 1

Die Antragsberechtigung muss nicht in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen werden.

 

Problemstellung:
Dem Fall lag ein im Jahre 1948 notariell abgeschlossener Vertrag über die Aufteilung bzw. Neuverteilung von Grundstücken zwischen den Beteiligten zugrunde. Im Jahre 1995 übersandte ein Notar, der nicht identisch mit dem seinerzeit beurkundendem Notar war, eine Ausfertigung des Vertrages, und stellte die in der Urkunde enthaltenen Anträge im Namen der Beteiligten.

Nachdem das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung die Aufteilung beanstandet hatte, lehnte das LG die dagegen eingelegte Beschwerde mit der Begründung ab, der Notar habe eine Bevollmächtigung durch die Beteiligten nicht dargetan. Das Thüringer OLG legte auf die weitere Beschwerde des Notars die Sache gem. § 79 Abs. 2 GBO dem BGH vor, da es der weiteren Beschwerde stattgeben wollte, sich aber durch gegenteilige Entscheidungen des KG vom 23.1.1936 (JW 1936, 1543) und des OLG Frankfurt/Main vom 16.10.1996 (Rpfleger 1997, 103) daran gehindert sah.

 

Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:
Der BGH hatte zwischen der vom Thüringer OLG vertretenen Auffassung, daß die Antragsberechtigung schlüssig dargelegt worden sei und den o.g. Entscheidungen abzuwägen, wonach die Antragsberechtigung (und somit auch die Beschwerdeberechtigung) in grundbuchlicher Form nachzuweisen sei.

Der BGH hat zunächst die Antragsberechtigung durch den Notar, anknüpfend an die Bestimmung des § 15 GBO geprüft. Diesbezüglich kommt das Gericht zu einem negativen Ergebnis da die Ermächtigungsvermutung des § 15 GBO nur dem Notar zukomme, der die betreffende Erklärung selbst beurkundet habe. Jedoch habe der Notar – der dann nur durch rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung tätig sein könne – bereits im Erstbeschwerdeverfahren die Vollmacht eine Beteiligten vorgewiesen, die als Miterbin nach einer am Vertrag von 1948 beteiligten Partei antragsberechtigt sei. Für die Vollmacht reiche die einfache Schriftform aus.

Zur Begründung seiner Auffassung verweist der BGH auf die unterschiedlichen Funktionen des § 29 GBO und des § 13 Abs.1 GBO. § 29 GBO ziele auf die Sicherung der Übereinstimmung des Grundbuchinhaltes mit der materiellen Rechtslage und verlange daher den Nachweis der materiell-rechtlich erforderlichen Tatsachen und Erklärungen in urkundlicher Form. Hingegen sei der Antrag nach § 13 Abs. 1 GBO eine reine Verfahrenshandlung die auf die materiell-rechtliche Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Grundbuches keinen Einfluß habe. Daher greife für Anträge, die allein der Vornahme einer Eintragung dienten, das Formerfordernis des § 29 GBO nicht. Dies gelte dann auch für die Antragsberechtigung. Der Antrag und die ggf. später erhobene Beschwerde sollen dazu führen, daß im nachfolgenden Verfahren die materiell-rechtliche Berechtigung des Bwilligenden überprüft wird; diese Berechtigung sei dann in der Form des § 29 GBO zu erbringen. Daher sei es nicht begründet, auch die Antragsberechtigung selbst dem Erfordernis des § 29 GBO zu unterwerfen, da dann die Feststellung der Zulässigkeit des Rechtsmittels die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung vorwegnehmen würde.

 

Kommentar:
Die Entscheidung klärt das Verhältnis von Antragsberechtigung und den Erklärungen, die den Inhalt de Antrages bilden, und auf die Änderung der materiell-rechtlichen Lage durch die Grundbucheintragung gerichtet sind. Antragsberechtigt ist derjenige dessen Rechtsstellung durch die Eintragung geändert wird. Die Antragsberechtigung i.S.d. § 13 Abs. 1 GBO ist daher Voraussetzung für das nachfolgende grundbuchliche Verfahren, in dem die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Grundbuchänderung geprüft werden. Die Abstraktion der Antragsberechtigung von den materiell-rechtlichen Erklärungen, die dem Antragsbegehren zugrunde liegen, führt nach der Ansicht des BGH dazu, daß die für die mteriell-rechtlichen Erklärungen geltenden Formvorschriften des § 29 GBO für den Nachweis der Antragsberechtigung nicht gelten. Insofern kann der Antrag als solcher nicht nur aufgrund privatschriftlicher Vollmacht gestellt werden, es genügt auch der schlüssige Sachvortrag des Antragstellers oder seines Bevollmächtigten. Gleiches gilt für die Bschwerdeberechtigung, die mit der Antragsberechtigung verbunden ist (BGH, Beschl. V. 10.6.1998, V ZB 12/98, ZIP 1998, 1550.

 

Literaturhinweise:
Haegele/Schöner/Stöber: Grundbuchrecht 11. Aufl. 1997, S. 36 ff.;
Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht, 5. Aufl. 1999 S. 352 ff.;
Demharter: Grundbuchordnung, 22. Aufl. 1997, zu § 13 GBO;
Bauer/von Oefele: Grundbuchordnung, 1999, S.798 ff.