Kann die Vollzugsbehörde die Zulassung einer außerehelichen Lebensgefährtin zum Langzeitbesuch bei noch bestehender Ehe des Gefangenen ablehnen?

Zu Art. 6 GG, § 24 StVollzG: -  Eine Anmerkung zum Beschluß des OLG Hamm, abgedruckt in ZfStrVo 5/99 und NStZ-RR 2000, 95 -

Hans-Jürgen Dohmen, Dozent an der FHR NRW Bad Münstereifel

 

Das Recht eines Gefangenen auf Besuch ist in § 24 StVollzG geregelt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift darf der Gefangene regelmäßig Besuch empfangen, wobei die Gesamtdauer mindestens eine Stunde im Monat beträgt. Gem. § 24 Abs. 2 StVollzG sollen Besucher darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen fördern. Ausdrücklich ist im Strafvollzugsgesetz ein sogenannter "Langzeitbesuch" nicht ausdrücklich geregelt, er ist indessen als Sonderfall nach § 24 Abs. 2 StVollzG anzusehen.

In dem vorbezeichneten Beschluß hat das Oberlandesgericht Ham entschieden, dass die Ablehnung eines Langzeitbesuches durch die nichteheliche Partnerin eines Gefangenen seitens der Vollzugsbehörde nicht ermessensfehlerhaft nach § 24 Abs. 2 StVollzG ist, wenn die Vollzugsbehörde Anhaltspunkte dafür hat, dass die noch bestehende Ehe des Gefangenen nicht nur "auf dem Papier" besteht. Das Gericht geht davon aus, dass es bei Vorliegen von Indizien für eine tatsächlich noch bestehende Ehe aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der Förderung und des Schutzes der Ehe nach Artikel 6 GG ermessenfehlerfrei sei, eine Lebensgefährtin nicht zum Langzeitbesuch zuzulassen.

Das OLG Hamm hat in der vorbezeichneten Entscheidung die Frage offengelassen, ob allein die Tatsache, daß der Gefangene noch verheiratet ist, die Ablehnung eines Langzeitbesuchs der Lebensgefährtin rechtfertigt.

Diese Frage dürfte – ungeachtet der vielschichtigen und je nach Sichtweise als "konservativ" oder "progressiv" einzustufenden Wertmaßstäbe in unserer Gesellschaft – zu bejahen sein.

Die Ehe ist auch in der heutigen Zeit als die die gesellschaftlichen und moralischen Wertvorstellungen bestimmende Form des Zusammenlebens von Mann und Frau anzusehen. Demgemäß gewährt Artikel 6 GG ein Grundrecht des Einzelnen vor störenden Eingriffen des Staates in seine Ehe und enthält eine Wertentscheidung zugunsten der Ehe, die von den Vollzugsbehörden zu beachten ist.

Solange ein Gefangener – selbst bei einer von ihm geliebten außerehelichen Lebenspartnerin – keinerlei Maßnahmen unternimmt, um eine Scheidung seiner Ehe in die Wege zu leiten, ist es seitens der Vollzugsbehörde ermessensfehlerfrei, wenn sie neben einer bestehenden Ehe keiner weiteren Lebenspartnerin ein Besuchsrecht erteilt. Artikel 6 GG gibt nämlich Beziehungen, die außerhalb einer noch bestehenden Ehe außerehelich vorhanden sind, keinen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. auch BVerfG in NStZ 1999, 255).

 

21. März 2000