Empfiehlt sich Strafaussetzung zur Bewährung für Freiheitsstrafen von über zwei Jahren?

Hans-Jürgen Dohmen, Dozent an der FHR NRW Bad Münstereifel

 

Nach der Regelung des § 56 Abs. 2 StGB ist eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht möglich, wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängen will. Im Rahmen der von der Bundesregierung geplanten Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems stellt sich die Frage, ob es kriminalpolitisch sinnvoll ist, eine Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafen von über zwei Jahren zu ermöglichen. Im Jahre 1995 hatte bereits das Land Niedersachsen einen Gesetzantrag im Bundesrat eingebracht, die Obergrenze für die Strafaussetzung zur Bewährung für sämtliche Arten von Straftaten und auch für das Jugendstrafrecht auf drei Jahre anzuheben. Im Bundesrat fand der Entwurf des Landes Niedersachsen jedoch keine Mehrheit.

Gegen eine Anhebung der Obergrenze auf drei Jahre wird insbesondere angeführt, dass bei Straftaten, bei denen in der Regel Gewalt angewandt oder mit Drohungen gegen Leib und Leben vorgegangen wird, eine Strafaussetzung zur Bewährung kaum vertretbar sei.. Demgegenüber ist zu bedenken, dass nach geltendem Recht zahlreiche Straftaten, die durch Gewaltanwendung gekennzeichnet sind, in der Praxis nach § 56 Abs. 2 StGB gerade bei Ersttätern mit einer Bewährungsstrafe geahndet werden. Da weiterhin wegen ihrer dissozialisierenden Wirkung eine Zurückdrängung der Strafverbüßung wünschenswert erscheint, sollte das Institut der Strafaussetzung zur Bewährung auch für Freiheitsstrafen von über zwei Jahren nutzbar gemacht werden. Auf diese Weise würde in der Praxis vermieden, dass das Gericht im Einzelfall unangemessen niedrige Strafen verhängt, um noch den Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB ausschöpfen zu können. Im übrigen stellt die Erweiterung der Aussetzungsmöglichkeiten ein verschärftes Damokles-Schwert dar, um bestimmte Straftäter zu beeindrucken, künftig keine Straftaten zu begehen. In jedem Fall erscheint es vor einer Reform des § 56 Abs. 2 StGB sinnvoll, Erfahrungen von europäischen Ländern wie Dänemark und Norwegen einzuholen, die bereits eine erweiterte Aussetzungsmöglichkeit zulassen.

 

Oktober 2001