Zum Tragen von Anstaltskleidung bei Vorführung eines Strafgefangenen zum Gericht
Zu Art. 2 GG, § 20 StVollzG Eine Anmerkung zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 3.11.1999 – 2 BvR 2039/99 -)

Hans-Jürgen Dohmen, Dozent an der FHR NRW Bad Münstereifel

Gegenstand der vorbezeichneten Entscheidung ist die Frage, ob ein Strafgefangener durch die Ablehnung der Vorführung zu Gericht in eigener Privatkleidung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG verletzt ist.

Dem Verfahren lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein zu einer langjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilter Gefangener bei der JVA beantragt hatte, ihn zur Hauptverhandlung in einem weiteren gegen ihn anhängigen Strafverfahren wegen räuberischer Erpressung und anderer Taten in eigener Privatkleidung vorzuführen. Ein entsprechender, von ihm vor der Hauptverhandlung gestellter Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung wurde durch das Landgericht als unzulässig verworfen. Der daraufhin vom Strafgefangenen gestellte Antrag, gem. § 32 BVerfGG im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen, dass er zu dem Hauptverhandlungstermin sowie zu eventuellen Folgeterminen in eigener Zivilkleidung vorzuführen sei, hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, da der Strafgefangene in seiner Verfassungsbeschwerde die schweren Nachteile nicht substantiiert dargelegt hatte, zu deren Anwendung der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten ist.

In den Entscheidungsgründen führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, dass die Ablehnung der Vorführung des Strafgefangenen zu Gericht in eigener Kleidung möglicherweise eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Artikel 2 Abs. 2 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG darstellt. Es stellt klar, dass die Verpflichtung zum Tragen der einheitlichen Anstaltskleidung eine Beeinträchtigung darstelle, die von Strafgefangenen regelmäßig als Selbstwertkränkung und Deprivation empfunden werde. Der Strafgefangene habe diese Beeinträchtigung nach der gesetzlichen Regelung des § 20 StVollzG im Interesse der Sicherheit und Ordnung der Anstalt grundsätzlich hinzunehmen, soweit ihm die Justizvollzugsanstalt nicht nach § 20 Abs. 2 S. 1 StVollzG das Tragen eigener Kleidung gestattet.

Nach § 20 Abs. 2 S. 1 StVollzG steht dem Gefangenen ein Recht auf Benutzung eigener Kleidung im Falle einer Ausführung zu, wenn keine Entweichungsgefahr besteht. In sonstigen Fällen nach § 20 Abs. 2 S. 2 StVollzG kann dem Gefangenen das Tragen eigener Kleider gestattet werde. Es handelt sich hierbei also um eine Ermessensentscheidung des Anstaltsleiters, soweit zwingende Gesichtspunkte der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen. Hierbei ist es – so stellt das Bundesverfassungsgericht zurecht fest – verfassungsrechtlich geboten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei einer gerichtlichen Vorführung im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen und dabei dem Interesse des Strafgefangenen Rechnung zu tragen, in einer von ihm als angemessen empfundenen Kleidung vor Gericht zu erscheinen.

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungsgründen die Frage offen lässt, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG das Ermessen des Anstaltsleiters gem. § 20 Abs. 2 S. 1 StVollzG grundsätzlich soweit einengt, dass eine dem Gefangenen günstigere Ermessenentscheidung die Regel zu sein hat, ist hierzu anzumerken, dass eine solche für den Gefangenen günstigere Ermessenentscheidung die Regel sei muss, wenn nicht zwingende Gesichtspunkte der Sicherheit und Ordnung der Anstalt entgegenstehen. Nur eine solche Ermessensreduzierung "auf Null" entspricht dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließenden Selbstbestimmungsrecht des einzelnen über die Darstellung der eigenen Person. Es ist in der Regel auch kein übergeordnetes öffentliches Interesse erkennbar, welches bei einer Vorführung eines Strafgefangenen in einer Hauptverhandlung das Tragen von Anstaltskleidung als Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigen dürfte. Zu Recht hat auch das OLG Karlsruhe mit seinem Beschluss vom 21.12.1995 (vgl. NStZ 1996, 302) ausgeführt, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 20 Abs. 2 S. 2 StVollzG Regelfall eine für den Gefangenen günstige Ermessensausübung sei.

23. März 2000