Ist die Finanzverfassung des Grundgesetzes reformbedürftig?
(Überlegungen zu einer Reform am Beispiel der Kosten für die Sozialhilfe)
Hans-Jürgen Dohmen, Dozent an der FHR NRW Bad Münstereifel

Der Finanzverfassung des Grundgesetzes kommt entscheidende Bedeutung für die Kräfte- und Machtverteilung im Bundesstaat zu. Die Zuordnung der Finanzierungskompetenzen zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach der Aufgabenverteilung zwischen den staatlichen Ebenen. Die bundesstaatliche Einheit, die bestimmte Aufgaben wahrzunehmen hat, trägt hiernach die Verantwortung für die damit verbundenen Ausgaben (sog. Konnexitätsgrundsatz). Allerdings sieht das Grundgesetz auch Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, z.B. bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a GG, bei der Bundesauftragsverwaltung nach Artikel 85 GG sowie den Investitionshilfen des Bundes nach Artikel 104 a GG.

In seinem im März 2000 erschienenen Buch "Strukturmängel der Verfassung" setzt sich der frühere Bundespräsident Roman Herzog kritisch mit der Frage auseinander, ob der Bund zur Sanierung seiner eigenen Haushaltsdefizite Ausgaben für bundesstaatliche Aufgaben durch Gesetz auf die Bundesländer oder die Kommunen abwälzen kann. Am Beispiel der Sozialhilfe legt er dar, dass diese künftig aus den Kassen des Bundes zu finanzieren ist.

Der Vorschlag von Roman Herzog betreffend die Finanzierung der Sozialhilfe sollte in eine entsprechende Reform münden. Durch die Verlagerung von Kosten aus dem Bundeshaushalt auf die Länder- und die Kommunalhaushalte werden grundsätzlich deren politische Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten so stark eingeengt oder sogar ausgehöhlt, dass ihnen für erforderliche Investitionsentscheidungen oder gebotene freiwillige Aufgaben der Daseinsvorsorge kein Geld zur Verfügung steht. Entsprechend dem für die Länder geltenden Gebot der Bundestreue liegt es nahe, den Bund finanzpolitisch in ein Prinzip der "Ländertreue" mit der Verpflichtung zum Ausgleich defizitärer Landeshaushalte infolge wahrzunehmender Bundesaufgaben einzubinden, zumal den Ländern gegen übermäßige Kostenbelastungen durch den Bund nur ein beschränkter Schutz dadurch zuteil wird, indem sie über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken.

Als verfassungsrechtlich zweifelhafte Kostenverlagerung auf die Kommunen ist die seitens des Bundes geplante Abschaffung der Arbeitslosenhilfe anzusehen. Die Arbeitslosenhilfe belastet den Bundeshaushalt, da der Bund die Haushaltsdefizite der Bundesanstalt für Arbeit als Träger der Arbeitslosenhilfe ausgleichen muss. Wird die Arbeitslosenhilfe gesetzlich abgeschafft, so fallen bei den für die Sozialhilfe zuständigen Kommunen die entsprechenden Leistungen für die bisherigen Anspruchsberechtigten der Arbeitslosenhilfe an. Der deutsche Städte- und Gemeindebund rechnet allein mit Ausgaben in Höhe von 28 Milliarden DM durch eine derartige Gesetzesänderung und mit einer hieraus drohenden Zahlungsunfähigkeit der Kommunen (vgl. Berliner Zeitung vom 23.4.2000). Die geplante Gesetzesänderung wäre daher als ein verfassungswidriger Verstoß gegen die Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28 Abs. 2 GG einzuordnen.

26. April 2000