Brauchen wir eine Europäische Verfassung?
Hans-Jürgen Dohmen, Dozent an der FHR NRW Bad Münstereifel

Diese Frage ist zur Zeit im politischen Raum erneut brandaktuell.
In der Europäischen Union fehlt es bisher an einer Verfassung. Teilweise wird zwar die Auffassung vertreten, dass die Gesamtheit der europäischen Verträge eine eigenständige Verfassung bilde (vgl. hierzu Steinberg in ZRP 1999, Seite 365 m.w.N.). Demgegenüber ist festzustellen, dass es eine Europäische Verfassung im formalen Sinne nicht gibt, zumal eine Erarbeitung durch entsprechende förmliche Verfassungsgremien bisher nicht erfolgt ist. Die seit 1984 entwickelten Initiativen des Europäischen Parlaments, eine Verfassung erarbeiten zu lassen, sind bisher leider gescheitert.

Im Focus Nr. 51/ Seite 58 ff. vom 18.12.1999 warnt nunmehr der Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof eindringlich vor einer Europäischen Verfassung. Er sieht hierin insbesondere die Gefahr der Selbstentmachtung des deutschen Verfassungsgebers und demokratischen Souveräns.

Die vorbezeichnete Auffassung mag der Unterzeichner nicht zu teilen. Ein vereintes Europa muss auch eine gemeinsame Europäische Verfassung haben. In dieser Verfassung müssen die Kompetenzen von Kommission, Rat, Parlament und Europäischem Gerichtshof - nach Prinzipien unserer Demokratie - festgeschrieben werden. Ferner ist ein verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz zu fordern. Wünschenswert wäre im übrigen auch eine Artikel 79 Abs. 3 GG entsprechende Bestimmung in der Europäischen Verfassung.

Bad Münstereifel, 20.12.1999